Hundetraining: Was sind die Lerngesetze?

Immer wieder hört man von Trainern oder Hundeschulen, die „nur auf Basis positiver Verstärkung“ arbeiten.

Das ist zunächst einmal erfreulich, aber bei genauerer Betrachtung auch irritierend. Warum? Weil das nicht geht! Es ist absolut wünschenswert, dass man hauptsächlich positive Verstärkung im Training nutzt. Auch ich tue das. Und ich nutze auch keine Strafen im Training. Ich kann aber nicht ausschließen, dass ich einen Hund unabsichtlich bestrafe, obwohl ich ihn belohnen möchte. 

Klingt verrückt? Ist aber so. 

Ich erkläre Euch, was es mit den Quadranten der Lerngesetze bei der Operanten Konditionierung auf sich hat, was sie bedeuten und wie wir sie im Hundetraining nutzen. 

Operante Konditionierung - Was ist das?

Operante bzw. instrumentelle Konditionierung bedeutet, dass eine Verhaltensweise öfter auftritt, wenn sie verstärkt wird und seltener auftritt, wenn sie bestraft wird. Diese Form der Konditionierung wird auch Lernen am Erfolg bezeichnet. Sie macht sich zunutze, dass jedes Lebewesen nach Gutem strebt und versucht, Schlechtes zu vermeiden. Ein Beispiel aus unserer Menschenwelt: Etwas, das ich erfolgreich tue und davon einen Nutzen gewinne (mehr Geld, Anerkennung, Lob, ein gutes Gefühl), werde ich in Zukunft öfter tun. Das Verhalten wurde verstärkt und tritt deshalb häufiger auf. Andersherum: Wenn jemand permanent zu schnell fährt und dann geblitzt wird und den Führerschein für drei Monate abgeben muss (Strafe), ist die Wahrscheinlichkeit, dass das zu schnelle Fahren (zumindest kurzfristig) in seiner Häufigkeit abnimmt, groß. Dazu muss die Strafe angemessen hart sein, das heisst, der Mensch muss den Verlust des Führerscheins auch wirklich als Strafe empfinden. Außerdem ist es schwierig bei selbstbelohnenden Verhaltensweisen, wenn der Mensch zum Beispiel das schnelle Fahren als extrem gut und lohnend empfindet. 

 

Lerngesetze: Die vier Quadranten der Lerntheorie

Innerhalb der operanten Konditionierung gibt es vier Quadranten:

Positive Verstärkung

Etwas Angenehmes wird hinzugefügt.

Das Verhalten tritt bei Erfolg häufiger auf. 

Negative Verstärkung

Etwas Unangenehmes wird weggenommen. 

Das Verhalten tritt bei Erfolg häufiger auf. 

Positive Strafe

Etwas Unangenehmes wird hinzugefügt. 

Das Verhalten wird bei Erfolg weniger. 

Negative Strafe

Etwas Angenehmes wird weggenommen. 

Das Verhalten wird bei Erfolg weniger. 


Ich gebe Euch ein paar Beispiele, um das Ganze verstehbarer zu machen. 

 

Positive Verstärkung

Wenn ich möchte, dass mein Hund an der Straße auf Signal hin stehenbleibt, übe ich Stehenbleiben auf Signal und belohne das Stehen mit einem Leckerli. Wenn wir davon ausgehen, dass Futter ein Verstärker für den Hund ist (er mag es und empfindet es als Belohnung), dann wird er das Verhalten nach einigen Wiederholungen öfter, zuverlässiger und schneller zeigen. 

 

Negative Verstärkung 

Ich möchte, dass mein Hund sich hinsetzt auf Signal. Ich drücke mit der Hand sein Hinterteil nach unten, bis er sitzt. Nun ist der unangenehme Reiz (Drücken auf das Hinterteil) weg. Das Verhalten wird in Zukunft schneller und öfter gezeigt werden, wenn der Hund das Gefühl der Erleichterung als Verstärker wahrnimmt. 

 

Positive Strafe

Ich möchte, dass mein Hund sich meinem Tempo anpasst und rucke ordentlich am Halsband, wenn er vor mich läuft. Ich habe etwas für den Hund Unangenehmes hinzugefügt. Der Hund wird in Zukunft weniger schnell laufen, weil er in Erwartung einer Strafe Meideverhalten zeigt. Das Ziehen wird abnehmen, wenn der Hund den Leinenruck als Strafe empfindet. 

 

Negative Strafe

Ich möchte nicht, dass mein Hund an mir hochspringt, wenn ich ein Spielzeug in der Hand halte. Ich drehe mich weg und nehme das Spielzeug hoch, so dass er es nicht erreichen kann. Damit entziehe ich ihm etwas Angenehmes, das er gerne haben möchte (Spielzeug). Das Anspringen wird weniger werden, weil es nicht zum Erfolg führt. 

Wenn also eine Hundeschule behauptet, ausschließlich mit positiver Verstärkung zu arbeiten, und dann Halter lehrt, sich wegzudrehen, wenn ein Hund an ihnen hochspringt, ist das NICHT positive Verstärkung! Es ist eine negative Strafe. Man sollte erwarten dürfen, dass eine Hundeschule diesen Unterschied kennt. 


Arbeite ich mit allen vier Quadranten? Nein. Ich nutze im Training ausdrücklich keine positive Strafe. Aber! Ich kann nicht ausschließen, dass ich unabsichtlich einen Hund bestrafe. Auch hier wieder ein Beispiel: Ein Jagdhund sieht einen Hasen, bleibt stehen und steht astrein vor. Das will ich verstärken, also halte ich ihm Futter vor dir Nase. Für die meisten Jagdhunde ist das eher eine Strafe, weil Futter in diesem Moment kein Verstärker ist. Der Hund fixiert ein Stück Wild und ich störe ihn dabei. Kann also sein, dass er in dem Moment losläuft, um meiner vermeintlichen Belohnung zu entgehen. Ich kann also nicht ausschließen, dass ich aus Versehen mal einen Hund bestrafe, quasi in bester Absicht. Deshalb ist es so wichtig, sich mit der Funktion von Verhalten, dem individuellen Hund, der jeweiligen Situation und auch mit passenden Verstärkern auszukennen!

 

Nutze ich negative Verstärkung oder negative Strafe? Ja. Sparsam und immer in Kombination mit positiver Verstärkung, aber ich nutze sie. Ich drücke keinem Hund das Hinterteil runter für ein Sitz. Ich füge auch keinen unangenehmen Reiz hinzu, nur um ihn dann wieder zu entfernen. Aber wenn ein Welpe zum Beispiel auf dem Arm zappelt, warte ich eine Sekunde, bis er aufhört und setze ihn erst dann ab. Ich möchte nämlich nicht, dass er lernt: Wenn ich hampel, kann ich runter. Gleichzeitig muss ich mir aber Gedanken machen, wie ich das "Auf dem Arm sein" angenehmer gestalten kann.  

Negative Strafe nutze ich zum Beispiel wie in obigem Beispiel. Für Hochspringen und Schnappen gibt es das Spielzeug nicht. Sobald der Hund sich kurz zurücknimmt, bekommt er es aber. So lernt er höfliche Spielregeln, die gerade bei einem großen, jungen Hund einfach wichtig für alle Beteiligten sind. Entscheidend ist, dass der Hund die Möglichkeit bekommt, überhaupt erwünschtes Verhalten zu zeigen. Das bedeutet, dass ich bei dem Spielzeug-Beispiel eventuell auf etwas weniger Attraktives umsteige, langsamer spiele, die Umwelt anpasse und wirklich sofort belohne, wenn der Hund sich zurücknimmt. Das heißt nicht, dass er sitzen muss, aber dass er zumindest vier Pfoten auf dem Boden hat. 

 

Nutze ich positive Verstärkung? Ja, wann immer es möglich ist! 

Belohnungsbasiert, bedürfnisorientiert, ganzheitlich

Belohnungsbasiert heißt nicht, dass wir permanent Futter in den Hund stopfen, alles durchgehen lassen oder uns dem Gusto des Hundes unterordnen. Null! Es bedeutet, dass wir abschätzen können, was ein Hund in welchem Alter in welcher Umgebung leisten kann. Dass wir Trainingsbedingungen anpassen. Dass wir kleine Trainingsschritte machen, die zuverlässig aufeinander aufbauen. Dass wir das Erregungslevel im Auge haben. Dass wir von allen Möglichkeiten im Training die am wenigsten belastende wählen. Gewalt und Zwang haben im Tiertraining nichts zu suchen. Für mich gehört dazu sämtliches Equipment, das auf Schreck, Angst oder Schmerz basiert. Auch der Körperblock, Zurückdrängen und Einschüchtern gehören dazu. Hier sind wir immer im Bereich der positiven Strafe, die ich nicht nutzen möchte!

Ich finde, dass der Begriff "positives Training" viel zu kurz greift. Ich arbeite ganzheitlich, das bedeutet, Wohlbefinden und Bedürfnisse des Hundes stehen im Vordergrund. Ich schaue mir Alltag, Umwelt, Ernährung und Gesundheit der Hunde an, denn nicht selten liegt hier etwas im Argen. Die Menschen und ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse sind ebenso Teil meiner Arbeit, denn ohne die Halterinnen und Halter geht es nicht. 

Nur, wenn wir alle Kompenenten berücksichtigen, ist überhaupt nur an Training zu denken. Dazu gehört auch, dass die Hundehalter wissen, was sie wie und wann verstärken. 

Inhaberin: Isabel Boergen ♥ Hundetrainerin

Mail: wau@weltstadt-mit-hund.de  

Fon: 0178 / 69 61 267

 

Montag bis Freitag: 9 bis 19 Uhr

Sonntag: 10 bis 18 Uhr

Samstag: geschlossen

 

Facebook: @weltstadtmithund
Instagram: @weltstadtmithund