Kathrin Hartmann ist Journalistin und Bestsellerautorin und außerdem eine liebe, langjährige Kundin von mir. Als sie mich fragte, ob ich ihr für dieses Buchprojekt mit meinem Trainerwissen zur Seite springen kann, musste ich nicht lange überlegen. Denn dieses Buch ist wichtig und richtig und gehört in jedes Bücherregal eines informierten Menschen, der einen Hund hält oder vorhat, sich einen anzuschaffen. Auch sollte es Pflichtlektüre sein für jeden, der Hunde vermittelt, im Tierschutz arbeitet, Ernährungsberatung für Hunde anbietet oder als Züchter oder Veterinär sein Brot verdient. Und für alle anderen auch.
Denn in dieser Welt, die Kathrin Hartmann in ihren Recherchen ausgräbt, ist nichts simpel. Jede Aktion hat Konsequenzen, alles ist mit allem verbunden und bereits beim Gedanken, ob man sich einen Hund anschafft, begegnet man vielen Dilemmata, die Kathrin schonungslos darlegt.
Woher kommt der Welpe? Vom Züchter oder lieber aus dem Tierschutz? Mit viel persönlicher Betroffenheit beschreibt die Autorin die verschlungenen Wege der Welpenmafia, die unerhörten Auswüchse der Hochleistungszucht und - was mich persönlich am meisten betroffen gemacht hat - das unfassbare Leid der Hunde aus dem "Tierschutz". Ja, ich setze es bewusst in Anführungszeichen, denn leider ist auch hier gut gemeint nicht gut gemacht.
Der massenhafte Import von Auslandshunden, die traumatisiert und teils schwer krank hierher gekarrt und vermittelt werden, löst leider kein Tierschutzproblem nachhaltig.
Für ihr Buch ist Kathrin dorthin gereist, wo viele unserer Hunde her stammen: Griechenland und Osteuropa, Rumänien. Was sie dort erlebt und beschreibt, ist harte Kost, aber sie schafft es, dass man beim Lesen nie verzweifelt, sondern Lust bekommt, etwas zu verändern. Das ist vielleicht die großartigste Leistung dieses Buches. Es kann Gutes schaffen, Wandel und Perspektivenwechsel herbeiführen, weil es einen eben nicht mit der Moralkeule erschlägt. Hartmann, die sich in ihrer Arbeit viel mit dem so genannten Greenwashing beschäftigt, also dem vermeintlich ökologischen Reinwaschen eigentlich schädlicher Kerngeschäfte von Konzernen, möchte das "falsche Gute" entlarven, wie sie schreibt. Im Bereich des Auslandstierschutzes gibt es davon leider jede Menge: "Selbst diejenigen, die den Tieren mehr schaden als helfen, können sich moralisch überhöhen und sich zu edlen Retterinnen und Rettern stilisieren. Die Tiere können ja nicht widersprechen (...)." Das ist tatsächlich etwas, das mich in meiner täglichen Praxis oft sehr betroffen macht. Niemand fragt die Hunde, ob sie aus der rumänischen Einöde gern in die Münchner Innenstadt ziehen möchten. Am Ende des Tages geht es doch wieder nur darum, wie gut sie funktionieren oder sich in unseren Alltag integrieren lassen. Dankbar sollen sie bitte sein, und die Enttäuschung ist oft groß, wenn das vom Verein versprochene "liebe Fellnäschen" sich als traumatisierten Nervenbündel entpuppt. Was ich als Trainerin besonders erschreckend finde, ist die fehlende Sachkenntnis vieler vermittelnder Organisationen. Da wird den überforderten Neuhundehaltern dann gerne mal geraten, den Hund auf den Rücken zu werfen, den Schnauzengruff anzuwenden oder ihn mit der Wasserpistole zu traktieren. Mit Tierschutz hat das längst nichts mehr zu tun, und wer so etwas rät, sollte die Hunde lieber da lassen, wo sie sind.
Kathrin Hartmann scheut kein heißes Eisen, von der Hundeernährung (sehr aufschlussreich!) über Qualzucht bis hin zum massenhaften Aufkaufen von Veterinärpraxen und -kliniken durch Großkonzerne (wirklich problematisch und erschütternd) rechnet sie mit der modernen Haustierwelt ab. Es kommen zahlreiche Expertinnen und Experten zu Wort, etwa der Verhaltensforscher und Wolfexperte Kurt Kotrschal, der Tierpathologe und Autor Achim Gruber oder der Tierarzt Ralph Rückert. Dass es sich bei "Mein Grüner Hund" um ein Sachbuch handelt, vergisst man beinahe beim Lesen. Denn die Recherchen sind nie dröge, sondern stets sehr unterhaltsam zu lesen und es tut gut, dass man trotz der schwer verdaulichen Kost zwischendrin auch Schmunzeln darf.
Beim Kapitel zum Zusammenleben und Training kann ich mich heute noch in Rage lesen. Denn leider geistern noch immer so viele falsche Annahmen über Hunde durch Literatur, Internet und Fernsehen, dass man weinen möchte. Der Hund ist für mich bis heute eines der am meisten missverstandenen Lebewesen.
Kathrin beschreibt mit viel Ehrlichkeit ihre ersten Hundeschulerfahrungen, Gewissensbisse bei der Anschaffung und das Leid als Ersthundehalter, die große Verwirrung und das Zerriebenwerden zwischen all den gegensätzlichen Annahmen und Informationen. Dass sie so lange auf ihren Herzenshund Toni gewartet hat, liegt an zwei besonders bemerkenswerten Umständen: Zum einen wollte sie als überzeugte Vegetarierin und Tierfreundin keinen Fleischfresser im Haus haben (wie sie das gelöst hat, erfahrt Ihr im Kapitel mit dem herrlichen Titel "The Wurst is over"). Zum anderen dachte sie, dass man Hunde mit harter Hand erziehen muss. Autoritär, leitwölfisch, quasi, und das war ihr zuwider. Dass es auch anders geht, dass man nicht schreien und unterwerfen muss, das sieht man heute an ihrem Zwergschnauzer Toni. Ich bin froh und dankbar, die beiden schon so lange begleiten zu dürfen.
Dieses Buch ist schonungslose Abrechnung und hoffnungsvoller Ausblick zugleich. Kathrin Hartmann schafft es, unterhaltsam und spannend die facettenreichen Auswirkungen unserer modernen Hundehaltung auf Mensch, Tier und Umwelt zu beleuchten. In ihren Recherchen legt sie dabei gnadenlos unglaubliche Missstände offen und gibt dennoch nie den Zeigefinger-Moralapostel. Lesetipp von ganzem Herzen und aus tiefster Überzeugung!
Kathrin Hartmann: Mein Grüner Hund. Plädoyer für ein faires Leben mit unseren Vierbeinern.
Blessing Verlag, 2022.