Vorneweg: Mein Hund trägt ein Geschirr. Ich finde es optisch nicht besonders reizvoll, gar nicht, es ist nur so, dass ich meinem Hund keine Schmerzen zufügen möchte. Denn obwohl er eigentlich sehr ordentlich an der Leine geht, gibt es immer einmal wieder Situationen im Alltag, in denen der Zug auf der Leine zu stark ist. Der Hund erschrickt sich, springt auf die Seite. Oder ich sehe im letzten Moment, dass Glasscherben auf dem Weg liegen und ziehe den Hund ohne zu überlegen in die andere Richtung. Was dann im Hundehals passiert, ist einfach ungesund und schmerzhaft.
Würg, örks, hust!
Denn dort, wo das Halsband sitzt, verlaufen wichtige Gefäße. Dort befinden sich der Kehlkopf und die Schilddrüse, dort verläuft die Luftröhre. Wenn nun seitens des Besitzers oder des Hundes starker Zug ausgeübt wird, kommt es zu Quetschungen an diesen lebenswichtigen Organen. Auch die empfindliche Halswirbelsäule kann Schaden nehmen, wenn ein Hund zieht oder unvermittelt in die Leine springt. Ein Geschirr hingegen verteilt den Druck auf mehrere Punkte am Brustkorb und kann daher weniger anrichten. Vom medizinisch-anatomischen Standpunkt aus ist das Geschirr hier dem Halsband klar überlegen.
Beginn einer wunderbaren Leinenaggression
Auch verhaltenskundlich kann ein Halsband mehr Unheil anrichten, als ein Geschirr. Denn es ist keineswegs so, dass ein Hund aufhört, an der Leine zu ziehen, wenn ihm die Luft wegbleibt oder er Schmerzen am Hals empfindet. Im Gegenteil – viele Hunde versuchen, dem Schmerz und dem unangenehmen Gefühl durch noch stärkeren Zug nach vorne zu entfliehen. Dazu kommt: Hunde sind Meister im assoziativen Lernen. Alles, was sie gerade sehen oder wahrnehmen, assoziieren sie damit, was sie gerade erleben. Wenn ein Hund beispielsweise zu einem anderen Hund möchte und deshalb an der Leine zieht, und der Besitzer womöglich auch noch an der Leine ruckt, besteht die Gefahr, dass der Hund diesen Schmerz mit dem anderen Hund vor ihm verknüpft. Womöglich passiert dies bei jeder Hundebegegnung: Ziehen – Rucken – Schmerz – Verknüpfung. Das kann der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden – vermutlich aber eher der Beginn einer Leinenaggression.
Wie sollte ein Halsband oder Geschirr beschaffen sein?
Ich würde ein Halsband nur dann empfehlen, wenn ein Hund gut an der lockeren Leine gehen kann und ohnehin meistens freilaufen darf. Dann sollte es dennoch möglichst breit sein, aus weichem, nicht gesundheitsgefährenden Material, und der Hund sollte es nicht selbst abstreifen können. Würge- und Stachelhalsbänder sind nicht geeignet, einen Hund zu führen, da sie gesundheitsschädigend wirken und dem Hund Schmerzen und Angst zufügen können.
Auch bei einem Geschirr ist unbedingt auf guten Sitz zu achten. Breit und gut gepolstert sollte es sein, und möglichst einfach anzulegen. Es sollte nicht einschneiden und nirgends zwicken. Ein Geschirr ist außerdem unverzichtbar beim Schleppleinentraining – bitte niemals eine Schleppleine am Halsband befestigen, die Hunde können sich sonst böse verletzen. Auch beim Mantrailing brauchen die Hunde ein eigenes Arbeitsgeschirr. Ansonsten ist meine Empfehlung: Gesundheit geht vor Schönheit. Und einen schönen Hund entstellt nichts. Auch kein Geschirr.