Jeder möchte gern eine gute Beziehung zu seinem Hund haben. Ich werde oft gefragt, was man tun kann, um die Bindung zu stärken oder welche Übungen es gibt, um mehr Vertrauen zwischen Mensch und Hund aufzubauen.
Hm. Ich mache keine dezidierten Bindungsübungen, weil eigentlich der gesamte Alltag Bindungsarbeit ist. Beziehung findet immer statt. Jeden Tag, von morgens bis abends, und auch nachts.
Für mich ist ein zentraler Punkt in Sachen Bindung, empathisch zu sein für die Bedürfnisse, Belange, Sorgen und Nöte des Vierbeiners. So beginnt Bindung für mich zu allererst mit Bildung:
- Was braucht mein Hund?
- Wie kommuniziert mein Hund mir seine Bedürfnisse?
- Kann ich seine Körpersprache lesen?
Ohne Wissen geht es nicht.
Dazu gehört als Erstes, sich mit dem Wesen und der Körpersprache von Hunden auseinanderzusetzen. Konflikt- und Beschwichtigungssignale sowie Stresssignale der Hunde zu kennen, ist Grundvoraussetzung für ein harmonisches Miteinander.
Und: Was nützen Bindungsübungen, wenn ich im Alltag kein verlässlicher Mensch für meinen Hund bin? Gar nichts.
Wenn ich im täglichen Leben über die Bedüfnisse meines Hundes hinweggehe, Nähe- oder Ruhebedürfnis missachte, ihn überall mitschleife, ihm Dinge abverlange, die er nicht kann oder mag, aversive Trainingsmethoden anwende und ihm Unterstützung in schwierigen Situationen verwehre, dann bin ich kein zuverlässiger Bindungspartner. Verlässlichkeit und Erwartbarkeit sind aber wichtige Säulen einer guten Beziehung.
Stellt Euch vor, Ihr lebt mit einem Partner zusammen, der Euch oft hängenlässt. Du hast eine Autopanne, er geht aber lieber ins Fußballstadion, anstatt Dir zu helfen. Du hast Angst vor Spinnen, er zieht Dich deswegen auf. Du findest Zigarettenrauch ekelig, er geht trotzdem nicht auf den Balkon zum Rauchen. Du bist krank, er geht lieber feiern, anstatt Dir eine Suppe zu kochen. Ab und zu rutscht ihm auch mal die Hand aus.
Aber! Beim Bindungsseminar an dem einen Wochenende, da fängt er Dich auf, wenn Du Dich rückwärts vertrauensvoll in seine Arme fallen lässt. Naja.
Der Unterschied hier ist jedoch: Ein Partner kann gehen. Der Hund nicht.
Deshalb ist ein fairer, bedürfnisorientierter Umgang für mich die Grundvoraussetzung für eine gute Beziehung zum Hund.
Was macht eine gute Bindung zwischen Mensch und Hund aus?
- Bedürfnisorientierung
- Verlässlichkeit
- Fairness
- Rücksichtnahme
- Erwartbarkeit
- Vertrauen
- Unterstützung in schwierigen Situationen
- Empathie
- positives Training
- Körperkontakt (je nach Hund) und Kontaktliegen
- gemeinsame Aktivitäten, die beiden (!) Spaß machen
Was schadet einer guten Bindung zwischen Mensch und Hund?
- Strafen oder Gewalt
- aversives Training (Wasserflasche, Leinenruck, Blocken und Co.)
- falsche Annahmen über das hundliche Wesen ("Rudelführer"-Mythos)
- fehlendes Wissen über Konfliktzeichen und Körpersprache
- fehlende Erwartbarkeit und Verlässlichkeit (Zuckerbrot und Peitsche)
- mangelnde Empathie
- Überforderung
- Unterforderung
- fehlende Bedürfniserfüllung
- mangelnde Interaktion
- Ignorieren von Signalen des Hundes
Lesetipp
- Maria Rehberger: Hunde achtsam führen. Über belohnungsbasiertes Training und bedürfnisorientierten Umgang. animal learn verlag, 2021.
- Katja Krauß, Gabi Maue: Emotionen bei Hunden sehen lernen. Eine Blickschule. Kynos Verlag, 2020.