Wahnsinn, was Hunde alles können. Sie begleiten Menschen wie selbstverständlich in ihrem Alltag. Sie fahren Auto, Bus und Bahn. Sie tippeln an der Leine, lassen sich bürsten, kämmen und frisieren, anziehen und ausziehen. Sie wohnen genauso selbstverständlich im Haus wie in der Ein-Zimmer-Wohnung, lassen Streicheleinheiten Wilfremder über sich ergehen und fressen bunte Leckerchen in Herzform. Wow, Hunde, Ihr seid wirklich toll!
Keine Selbstverständlichkeit
Der Hund lebt von allen Haustieren am engsten mit dem Menschen zusammen. Das ist eine Errungenschaft, keine Frage. Aber manchmal muten wir den Hunden ganz schön viel zu. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Tier, das einer völlig anderen Spezies angehört, so vieles im Menschenleben teilt. Verkehrslärm, U-Bahn fahren, die Enge in Wohnungen und die unnatürliche Leine, nichts von dem ist dem Hund "von Natur aus" vertraut. Um das alles ertragen zu können, muss ein Hund über eine gute Sozialisation und Habituation verfügen. Das bedeutet, dass er bereits in den ersten Lebenswochen möglichst viele positive (!) Erfahrungen mit dem Menschen, mit anderen Tieren und der unbelebten Umwelt machen muss. Ein Hund, der im Welpenalter keine Fahrräder, Rollstuhlfahrer, Kinder und Rasenmäher kennenlernt, wird später viel wahrscheinlicher zu Ängsten oder Abwehrreaktionen dagegen neigen.
Summe aus Anlagen, Erfahrungen und Gelerntem
Schlendern in der Fußgängerzone, Shopping, Bus fahren oder permanenter Kontakt zu fremden Hunden: Manches von dem, was aus Menschensicht selbstverständlich ist, bedeutet für Hunde puren Stress.
Doch wie oft sind wir ungeduldig mit unseren Hunden. Wir missverstehen ihre Sprache, ignorieren ihre Signale und haben nicht selten völlig überzogene Erwartungen an sie. Dabei kann ein Hund
niemals mehr sein als das, was ihm genetisch mitgegeben wurde, was er erfahren und gelernt hat. Ein Jagdhund will jagen, ein Hütehund hüten, ein Begleithund mag nicht gern alleine bleiben. Diese
angeborenen Verhaltensweisen kann man nicht einfach "wegtrainieren", man kann sie lediglich lenken.
Natürlich fährt ein Hund mit der U-Bahn, wenn er von klein auf die richtigen Erfahrungen gemacht hat. Aber auch wenn ein Hund problemlos alles mitmacht, heißt das nicht, dass es ihn nicht stresst
oder dass es ihm gefällt. Es liegt an uns, genau zu beobachten, wie es dem Hund dabei geht: Zeigt er Beschwichtigungssignale wie häufiges Gähnen, Lefzen lecken oder Blinzeln?
Und schließlich das Lernen: Ein Hund kann nicht von Geburt an der Leine gehen. Er ist darauf angewiesen, dass man es ihm beibringt. Und zwar so, dass er es versteht.
Geduld und das richtige Maß
Von keinem anderen Tier erwarten wir so viel, wie vom Hund. Es ist an der Zeit, unseren treuen Begleitern mal etwas zurückzugeben. Geduld, zum Beispiel, wenn wir ihnen Neues beibringen. Das richtige Maß an Anstrengung, Eindrücken und menschlichem Alltag. Und wir sollten uns mehr auf die Welt der Hunde einlassen, anstatt sie in unsere Welt zu pressen. Dafür haben wir sie ja schließlich. Oder?